Der Stockturm, Nienburgs ältestes Wahrzeichen, ein Überbleibsel des alten Schlosses der Grafen von Hoya (1250 – 1582)wurde von 1974 1976 vom „Corps Hannoverania“ und dem 1975 gegrün- deten „Verein zur Erhaltung des Stockturmes und anderer unter Denkmalschutz stehender Gebäude in Nienburg/Weser e.V. – |
Stockturm e.V.“ restauriert. Mit Pachtvertrag vom 13.06.1975 übernahm der Stockturm e.V. den gesamten Stockturm als Pächter von der Stadt Nienburg. Seitdem befinden sich im 1. Obergeschoss ein Versammlungsraum des „Corps Hannoverania“ und in den darüberliegenden Geschossen 6 Studen tenwohnungen. | ![]() |
Die Stadt Nienburg wollte den Erdgeschossraum
zunächst selbst nutzen, um dort die Geschichte
der Grafen von Hoya darzustellen. Als daraus
nichts wurde, erfolgte mit dem 1. Nachtrag
zum Pachtvertrag von 1975 die Festschreibung
der Nutzung des Erdgeschossraumes durch den
Rühmkorffbund. Am 01.01.1978 wurde der Miet-
vertrag zwischen Stockturm e.V. und Rühmkorff-
bund geschlossen. Als Mietzweck wurde die
Nutzung als Museumsraum vereinbart. |
Schon im Jahre 1922 wurde vom Rühmkorffbund ein schulgeschichtliches Museum in Nienburg eröffnet.
Damals wurden die historischen Stücke im ersten Stockwerk der Baugewerkschule ausgestellt. Einige
Stücke wurden im und nach dem Zweiten Weltkrieg gestohlen. Die wertvollsten Erinnerungen sowie
die Fahne des Rühmkorffbundes konnten aber in Sicherheit gebracht werden. Im Jahre 1950 wurde dann das „Rühmkorff-Stübchen“ in der Langen Straße in „Tante Mariechens Gast- stätte“ mit den Museumsstücken eingerichtet. Als diese 1969 umgebaut und verpachtet werden sollte, wurden die Exponate von Nienburger Rühmkorffern in Verwahrung genommen. Seit Anmietung im Jahre 1978 befinden sie sich nun im Erdgeschossraum des Stockturmes. Neben einem Lehrbuch aus dem Jahre 1759 über die „Messkunst auf dem Felde“ aus der Zeit vor der Gründung der Baugewerkschule, Kollegbüchern, Zeugnissen, Urkunden, Festschriften, Notenblättern und Bildern aus der Zeit der Schulgründung, Erinnerungsstücken und Medaillen von Schuljubiläen sowie abgetragene Semestermützen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg findet man hier Zeit- zeugen aus der Geschichte des Rühmkorffbundes, der Schule, des Stockturmes sowie anderer Vereine aus dem Umfeld der Schule. Selbst ein Taktstock aus kunstvoll geschnitztem Ebenholz mit Elfen- bein, den der Schulgesangverein um die Jahrhundertwende seinem Dirigenten zum Geschenk machte, ist noch vorhanden. Aber auch die Räumlichkeit selbst mit den bis zu 1,90 m dicken Umfassungs- wänden, den noch sichtbaren Gewölbedurchbrüchen zum ehemaligen Schloss hin und der Holzkon- struktion lässt die Baukunst des ca. 700 Jahre alten Bauwerks erkennen. Das Museum ist regelmäßig zum „Tag des offenen Denkmals“ geöffnet. Aber auch zu anderen Zeiten können Vereinsmitglieder und andere Interessierte nach Anmeldung beim Vorstand die Räumlichkeit besichtigen. |
”Ich bin die kleine Nienburgerin”
Wir haben es früher häufiger gesungen, das Lied von der kleinen Nienburgerin und dem Calenberger Burn. Unser früherer Chronist, Wilhelm Siebert, berichtete in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts über dieses Lied in den Rühmkorff-Blättern. Dazu brachte er auch eine Aufnahme einer kleinen Nienburgerin, wie sie um 1820 ausgesehen hat. In den zwanziger und dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde der lustige Wechselgesang zwischen der kleinen Nienburgerin und dem Calenberger Burn auf Veranstaltungen aller Art von den Bundesbrüdern häufig gesungen.
Leider ist es nicht populär geworden. In den Schulen wurde das Lied nur wenig gesungen, und selbst im Jahre 1975, als die Stadt ihr 950jähriges Bestehen feierte, war der Wechselgesang nur wenig zu hören. In den folgenden Jahrzehnten drohte das Lied in Vergessenheit zu geraten, obwohl die Personen des Liedes, die sich in dem Gesang selbst vorstellen, charakteristisch sind für die Stadt und ihre Umgebung. Woher das Lied stammt, ist nicht bekannt. Selbst das Deutsche Volkslieder-Archiv in Freiburg konnte keine Auskunft geben. In einem Liederbuch, das in den zwanziger Jahren erschien, heißt es nur ”aus Niedersachsen”. Über die Melodie wird gesagt, es sei eine Volksweise. Wechselgesänge zwischen zwei gegensätzlichen Personen sind in ganz Deutschland verbreitet; allerdings sind die Melodien und auch die Texte in den einzelnen Ländern recht unterschiedlich. Heute hört man das Lied in Nienburg kaum noch. Der Wechselgesang zwischen der kleinen Nienburgerin und dem Calenberger Burn ist nicht nur von der Melodie und vom Text her recht interessant, auch in geschichtlicher Hinsicht ist das Lied bemerkenswert. Jahrhunderte lang bestand eine Staatsgrenze zwischen der Grafschaft Hoya und den welfischen Landen, die im Raum Nienburg zwischen der Stadt und dem Dorf Langendamm verlief. Auch später, als die Fürstentümer Lüneburg und Calenberg von Brüdern regiert wurden, änderte sich an der Staatsgrenze nichts; und so standen sich im Nienburger Raum das schöngekleidete Mädchen und der zerlumpte Calenberger Bur gegenüber. Wie schon gesagt, ist über den Textdichter nichts bekannt. Zum Schluss sei noch bemerkt, dass mancher Student der Baugewerkschule und auch der Fachhochschule ”seine kleine Nienburgerin” nach dem Examen mitgenommen hat. Hermann Ziegler ![]() ![]() |
Ein Bronze-Denkmal für die Kleine Nienburgerin
1975 wurde die Stadt Nienburg 750 Jahre alt, denn im Jahre 1025 wurde der Ort erstmals urkundlich erwähnt. Für die anstehende Jubiläumsfeier suchte man nach einer Symbolfigur für die Stadt. Da entsann man sich des Liedes von der Kleinen Nienburgerin und meinte, mit der Kleinen Nienburgerin die rechte Figur gefunden zu haben. Die Stadtverwaltung schrieb deshalb einen Wettbewerb aus, an dem jeder teilnehmen konnte. Das Thema für diese Figur war festgelegt. Es sollte die Kleine Nienburgerin sein. Da wurde gezeichnet, gemalt, gebastelt und geklebt. Über 400 Einsendungen gingen ein. Fast alle Einsenderinnen und Einsender hatten die Kleine Nienburgerin so dargestellt, wie sie sich in dem Lied selbst besingt. Hab so’n kleines Hütchen auf. Hab solch klein Schühchen an mit so viel Schleifchen dran, usw. Die Jury hatte es sehr schwer, den besten Entwurf zu finden. Nach langen Beratungen erhielt den 1. Preis die Bildhauerin Marianne Bleeke aus Herford für eine Bronze – Statue. Der Rat musste der Auswahl durch die Jury noch zustimmen. Es bedurfte noch heißer Diskussionen, ehe der Rat seine Zustimmung gab, denn die Figur hatte so gar nichts mit der Kleinen Nienburgerin aus dem Lied etwas zu tun. Es gab heftige Auseinandersetzungen, aber schließlich entschied man sich doch für den Entwurf der Bildhauerin. Am 16. Februar 1975 wurde in der Eingangshalle der Fachhochschule eine Ausstellung aller für den Wettbewerb eingereichten Beiträge eröffnet. Das Modell der Kleinen Nienburgerin stand hervorgehoben in einer gläsernen Vitrine. In der Nacht vom 3. auf den 4. März verschwand das kleine Modell aus der verschlossenen Vitrine. Nach einem anonymen Anruf tauchte wenig später die Figur in einem Schließfach am Bahnhof wieder auf. Wer das Modell gestohlen hatte, und vor allem auch das Motiv, blieb ungeklärt. Einige Nienburger äußerten 1976 den Wunsch, eine lebensgroße Darstellung der Kleinen Nienburgerin zu bekommen. Die Kosten dafür beliefen sich auf etwa 30 000 DM. Durch Spenden wurde dieses Geld aufgebracht, so dass der Guss der Großplastik beginnen konnte. Nachdem der Rat und die Verwaltung der Stadt den Standort bestimmt hatten, konnte am 5. Mai 1979, um 11.00 Uhr die feierliche Enthüllung stattfinden. Damit hatte die Stadt Nienburg ein neues Denkmal: Die Kleine Nienburgerin. Nicht alle Nienburger waren mit diesem Denkmal und auch nicht mit dem Standort einverstanden. Aber im Laufe der Zeit haben sie sich damit abgefunden. Es würde zu weit führen, wollte man hier die Gegenargumente aufführen. Die halbnackte Figur hat zu mancherlei Späßen Anlass gegeben. Im Winter trägt sie häufig eine Wollmütze und Handschuhe, manchmal hat man ihr sogar einen BH umgehängt. Eine Symbolfigur, wie man zu Anfang gedacht und gewollt hatte, ist sie nicht geworden. Heute kennen nur noch ältere Nienburger das Lied von der Kleinen Nienburgerin und den Vorgängen um das Bronze – Denkmal hinter dem Posthof. Hermann Ziegler ![]() |
Blickpunkt-Serie (Teil 218)
Wohnen in alter Festung Der Stockturm war einst ein Gefängnis Nienburg (nis). Es gehört zu den Wahrzeichen Nienburgs. Jeder, der schon einmal einen Spaziergang entlang der Weser unternommen hat, ist an dem alten Gebäude vorbeigekommen, das hinter dem Finanzamt direkt am Weserwall liegt. Hinter dem Nienburger Stockturm verbirgt sich eine lange und bewegte Geschichte. Heute dient das Gebäude zum Wohnen und für gesellige Treffen einer (ehemals) schlagenden Verbindung. Der Turm bildet den Rest der einstigen Wasserburg der Hoyaer Gafen. Die gesamte Anlage bildete innerhalb der Schutzwälle der Stadt Nienburg eine weitere Befestigung und diente ab 1324 als ständige Residenz der Hoyaer Grafen, deren Geschlecht 1582 erlosch. Nach dem 30-jährigen Krieg wurden das Schloss mit seinen Nebengebäuden Schritt für Schritt abgebrochen. Nur der Schlossturm blieb als einziger erhalten. In der Folgezeit diente er der militärischen Nutzung, eine Zeit lang auch als Gefängnis. Die Gefangenen lagen innerhalb des Gebäude “im Stock” – sie waren mit hölzernen Fesseln an der Flucht gehindert. Daher stammt auch die heutige Bezeichnung “Stockturm”. Anlässlich der Feier zum 950-jährigen Bestehen Nienburgs im Jahre 1975 restaurierten die Studentenverbindung “Corps Hannoverania”, der dazu eigens den “Verein zur Erhaltung des Stockturmes und anderer unter Denkmalschutz stehender Gebäude in Nienburg” gegründet hatte, den Turm, den die Verbindung heute nutzt, um Zimmer an Studenten zu vermieten und dort Treffen zu veranstalten. Sie kamen damit überlegungen zuvor, das historische Gebäude abzureißen. Dabei bekamen die Vereinsmitglieder viel Hilfe, sowohl finanzieller und materieller Art, als auch Unterstützung von Architekten, die kostenlos mit Plänen aushalfen, erläutert Barbara Breiding- Voepel, die als Stadtführerin viele ihrer Touren im Stockturm beginnen lässt. Seit dem Ende der Baugewerksschule steht die Wohnung oben im Turm leer. Zuvor hatte sie viele Jahre Studenten als Unterkunft gedient, während eine weitere Wohnung bewohnt ist. Nutznießer des sanierten Turms sind auch Mitglieder des Rühmkorffbundes, die sich dort eingemietet haben und sich in einem der Räume im danach benannten “Rühmkorffstübchen” treffen. |
In alten Büchern und Zeitschriften geblättert |
Die Harke“ vom 25. Januar 2015
Fachwerk verbindet
Serie "Architektonische Besonderheiten in der Region“ /Nienburgs Altstadt Von Michael Duensing Nienburg. Gäste, aber auch Einheimische, lassen sich immer wieder begeistern von der Attraktivität der Nienburger Altstadt. Sind es doch insbesondere die vielen Fachwerkhäuser, die der Weserstadt eine romantische und nostalgische Ausstrahlung verleihen. Aus diesem Grund ist Nienburg/Weser neben mehr als 100 anderen Städten Mitglied der bundesweiten Initiative "Deutsche Fachwerkstraße“ die eine Länge von insgesamt 2800 Kilometern aufweist und von der Nordsee bis Baden-Württemberg reicht. Sie ist in sechs regionale Strecken unterteilt. Das Motto lautet: "Fachwerk verbindet“. Dieser Leitgedanke, so formulieren es die Verantwortlichen der "Deutschen Fachwerkstraße“, soll die Verbindung der Menschen, die in und mit Fachwerk leben und die diesen Baustil lieben, ausdrücken. Nienburg/Weser gehört zu der so genannten "Grünen Strecke – Von der Elbe bis zum Harz“. Weitere Mitgliedsstädte sind beispielsweise Stadthagen, Northeim, Wernigerode oder Hitzacker. Nienburg wurde 1025 erstmals urkundlich erwähnt. Die historische Altstadt lässt sich optimal auf der "Bärenspur“ erkunden. Natürlich gibt es noch weitere Themen-Touren und öffentliche Führungen. Bei der "Bärenspur“ handelt es sich um einen Rundgang zu 28 Sehenswürdigkeiten. Auf dem Boden aufgemalte weiße Bärentatzen weisen den richtigen Weg. Eine Infobroschüre ist bei der Mittelweser–Touristik GmbH, Tourist-Information Nienburg, Lange Straße 18, sowie im Internet unter www.mittelweser-tourismus.de erhältlich. Entlang der Route sind auch zahlreiche Fachwerkhäuser zu sehen. Die Tour führt beispielsweise zum Posthof, ein ehemaliger Burgmannshof, der bis 1860 eine königliche Poststation an der Strecke Hannover-London war und seit 1977 die Stadtbibliothek beheimatet. Der Fresenhof des Nienburger Museums (erstmalige Erwähnung 1263) ist ebenfalls ein Burg- mannshof, in dem einmal Ritter wohnten. Das Ackerbürgerhaus an der Friedrich-Ludwig-Jahn- straße ist ein um 1500 erbautes Fachwerkgebäude mit damals Wohn- und Wirtschaftsräumen sowie Stallungen für das Vieh und Vorratsräumen. Weitere beeindruckende Fachwerkbauten sind das "Alte Amtshaus“ am Schloßplatz, das Bürgerhaus sowie das Traufenhaus an der Weserstraße, das Thießensche Haus an der Krummen Straße oder das eindrucksvolle Patrizierhaus des Gödeke Schünemann an der Langen Straße/Ecke Weserstraße. Hintergrund: Die Deutsche Fachwerkstraße“ ist der touristische Zweig der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte e.V. mit mehr als 130 Mitgliedsstädten. Gegründet wurde die Arbeitsgemeinschaft im Jahr 1975. Die Initiative "Deutsche Fachwerkstraße“ gründete sich 1990 und umfasst rund 100 Mitgliedsstädte. Weitere Informationen sind erhältlich unter www.mittelweser-tourismus.de, www.deutsche-fachwerkstrasse.de und www.fachwerk-arge.de |
Die Harke vom 7. Mai 2016
Von der Planung bis zur Enthüllung
Heimathistoriker Siegfried Schmidt spürte der Geschichte des Wilhelm-Busch-Denkmals nach/Teil 1/3 Von Siegfried Schmidt Schon sehr bald nach dem Ableben von Wilhelm Busch, am 9. Januar 1908 im Pfarrhaus zu Mechtshausen, wo er unter der Obhut seiner Schwester Fanny und der Familie seines Neffen Otto Nöldeke die letzten zehn Lebensjahre ver- bracht hatte, keimte der Wunsch, ihm in seinem Geburts- und Heimatort Wiedensahl ein Denkmal zu errichten. Die Bezeichnung Heimatort darf an dieser Stelle betont werden, hat er doch den größten Teil seines Lebens dort verbracht und auch die meisten seiner bedeutendsten Werke in Wiedensahl geschaffen. Ob die Anregung zur Errichtung eines Denkmals aus seinem Heimatort kam, ist nicht unbedingt sicher. Doch bereits am 19. Januar 1908 wurde laut Protokoll einer Gemeindeausschusssitzung unter "Verschiedenes“ beschlossen, für den jüngst verstorbenen Mitbürger Wilhelm Busch seitens der Gemeinde einen Platz für die Errichtung eines Denkmals zur Ver- fügung zu stellen. Auch die Bildung eines entsprechenden Komitees soll in Angriff genommen werden. Die Bereitstellung des Grundstücks erfolgte im Jahr 1911 und zwar auf dem Pfarrhof, also auf Kirchengelände. Nach einer überlieferten Erzählung soll dem damaligen Pastor Himstedt ein altes Backhaus, welches dort nahe der Straße stand, nicht gefallen haben, darum stellte er der Gemeinde den Platz zur Verfügung mit der Auflage, das Backhaus zu versetzen. So ist es laut vorliegenden Dokumenten, auch ge- schehen. Den damaligen Gemeindevätern war bei diesem Deal eine gewisse Cleverness sicher nicht abzusprechen. Von den meisten Gemeindegliedern wurde Busch jedoch kritisch betrachtet. Niemand wusste so recht was er machte und womit er so viel Geld verdienen konnte um sich eine für hiesige Verhältnisse doch angenehme und aufwenbesitz der Behagligkeit? Das kommt davon es ist hinnieden zu vieles viel zu viel verschieden. Der eine fährt Mist, der andere spazieren, das kann ja zu nichts Gutem führen. Das führt wie man sich sagen muss, vielmehr zu mehr und mehr Verdruss. Und selbst wer es auch redlich meint, erwirbt sich selten einen Freund.“ Bei etwas großzügiger Auslegung könnte es auf seine damalige Situation hindeuten. Er war doch laut einer alten Überlieferung zu seiner Wiedensahler Zeit schon der zweitbeste Steuerzahler im damaligen Altkreis Stolzenau. Zu dieser Zeit durfte jeder seine Einkünfte selbst einschätzen und danach entsprechend die Steuern entrichten. Das ist eventuell die Redlichkeit, die er in dem Gedicht anspricht. Der Wunsch für die Errichtung eines Denkmals kam sicher aus seiner großen, weltweiten Ver- ehrergemeinde. Nachdem im Frühjahr 1910 eine Ausschreibung in Form von Pressemitteilungen erfolgt war, wurden Bewerbungen von Künstlern und Architekten nahezu aus ganz Deutschland eingereicht. Vielseitige Angebote auch von ausgesprochenen Busch Verehrern waren darunter. Zum Beispiel wollte der Architekt Gustav Albert Grote aus Hannover den Denkmalsentwurf und die Ausführungszeichnungen vollständig gratis liefern. Den Auftrag für die künstlerische Gestaltung erhielt dann letztlich Professor Karl Gundelach aus Hannover. Die Ausführung der Architektur wurde Herrn Otto Lüer, Architekt aus Hannover, übertragen. DieAusführung,einschließlichderbekrönenden Gruppe, Pan mit der Flöte und Eule, erfolgte in gutem, feinkörnigem Muschelkalk, der von den Deutschen Steinwerken C. Vetter AG in Eltmann am Rhein geliefert wurde. Die Durchführung des Projekts wurde ausschließlich aus Spendengeldern finanziert. Öffentliche Gelder wurden zu der Zeit dafür noch nicht zur Verfügung gestellt. Entsprechend schwierig und langwierig gestaltete sich die Unternehmung. Leider ist aus dem Schriftverkehr nicht ersichtlich, wann der erste Spendenaufruf erfolgt ist. Anlässlich einer Gemeindeausschuss Sitzung am 5. Juli 1908 wird laut Protokoll ein Komitee, welches freiwillige Gaben zu einem Denkmal für den früheren Mitbürger Wilhelm Busch ein- sammelt, gewünscht und auch beschlossen Schließlich wird auch noch beschlossen um vorläufig Gelder für Reklamezwecke zu erhalten, in hiesiger Gemeinde eine Haussammlung zu veranstalten. Ob sie durchgeführt wurde und mit welchem Ergebnis ist nicht bekannt. Bei einer weiteren Ausschussversammlung, am 11. Dezember 1908, wird ein Beschluss gefasst, bei dem man den Teilnehmern ein gewisses Pensum an Schlitzohrigkeit nicht absprechen kann. Hier der genaue Wortlaut: "Die Gemeindevertretung ist einstimmig dafür, die Unterhaltung des Wilhelm Busch Denkmals zu übernehmen, wenn 25 Prozent der etwa einkommenden Beträge zinslich belegt werden und die Zinsen jährlich von diesen Fonds zur Unterhaltung angewandt werden“. In der ersten Spendenliste wird ein gewisser von Rappard, Kaufmann aus Minden, mit einer Spende von fünf Mark verzeichnet. Die Spenden bestehen zumeist aus Kleinbeträgen und zwar von 0,50 Mark bis zehn Mark, wobei die meisten Beträge eine Mark nicht überschreiten. Es werden Spender aus Rostock, Dortmund, Hamburg, Leipzig und Hanau verzeichnet, also von Nord nach Süd und Ost nach West. Die Mehrzahl der Spender in dieser Liste kam allerdings aus der näheren Umgebung. Auch eine Spende vom Stammtisch Bulmahn, Gastwirtschaft in Rosenhagen, mit einer Spende von neun Mark steht darin.VermutlichhabendieStammtischbesucher Wilhelm Busch noch aus der Wiedensahler Zeit persönlich gekannt, weil er auf seinen Spaziergängen in der dortigen Gegend gern auf ein Bier bei Bulmahns einkehrte. Ein weiterer Spendenaufruf, der wohl auf die Initiative eines Mannes, auf den ich später noch zu sprechen komme, zurückzuführen ist, trifft auf mehr Resonanz. Die hier eingegangenen Beträge sind wesentlich höher und kommen zu einem großen Teil aus dem ganzen deutschsprachigen Raum, und hier überwiegend aus Ostdeutschland. (Fortsetzung folgt) |
Die Königlich Hannoversche Baugewerkschule
Die seit 1831 in Nienburg bestehende “Realschule” war schon kurz nach ihrer Gründung weit über die Grenzen unserer engeren Heimat bekannt und genoss in Fachkreisen einen außerordentlich guten Ruf; und als sich zu Beginn der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die hannoversche Regierung mit dem Gedanken trug, staatliche Anstalten für das Bauwesen mit mehreren Klassen einzurichten, die den Namen “Baugewerkschulen” tragen sollten, war unter den vielen Orten, die sich um eine solche Einrichtung bemühten, auch die Stadt Nienburg. Sie erhielt den Zuschlag, nicht zuletzt deswegen, weil hier schon eine von dem Baurat Quaet-Faslem gegründete “Realschule” bestand, die sich gut bewährt hatte. Obwohl Quaet-Faslem die Einrichtung der neuen Anstalt nicht mehr erlebte – er starb am 5. Juli 1851–, ist er doch als der eigentliche Gründer der Baugewerkschule anzusehen. Sofort nach der Gründung der ersten staatlichen Baugewerkschule im norddeutschen Raum in der Stadt Nienburg im Jahre 1853 wurde mit dem Bau des Schulgebäudes am Nordwall begonnen. Zu Beginn des ersten Semesters war das Schulgebäude noch nicht fertig gestellt; der Unterricht musste deshalb notgedrungen in einem Privathaus abgehalten werden. Als geeignetes Gebäude erwies sich der Fresenhof, der sich damals noch im Besitz der Familie von Cramm befand und auch danach benannt wurde. Hier gab es große Räumlichkeiten, die für den Unterrichtsbetrieb geeignet waren. Wenig später übernahm der Fabrikant und Kaufmann Cabolet den Hof, und bis in die Zeit nach dem letzten Krieg hieß er bei den Nienburgern nur “Cabolets Hof”. Noch heute zeigt der Hof die einstige Geschlossenheit des Burgmannshofes: in der Mitte der lang gestreckte Fachwerkbau des Herrenhauses, an den anderen Seiten die ehemaligen Wirtschaftsgebäude, die aber inzwischen völlig umgebaut worden sind. Die Gebäude zur Straßenseite hin verschwanden schon in den ersten Jahren nach dem Kriege. ![]() Leider sind aus dem ersten Jahr des Bestehens der Baugewerkschule keine Unterlagen mehr vorhanden. Für die Geschichte der heutigen Fachhochschule aber ist es doch wichtig, etwas darüber zu erfahren, welches Gebäude in der Stadt die Geburtsstätte der Schule gewesen ist. Erster Direktor der Baugewerkschule war der Landesbaukondukteur Rhien. Ihm zur Seite standen sieben Lehrkräfte. Im Winter 1854 konnte die Schule ihr eigenes Gebäude am Nordwall beziehen. Das Lehrziel sollte in drei Semestern erreicht werden. In einer täglichen Arbeitszeit von elf (!) Stunden, von 7 Uhr morgens bis 20 Uhr abends mit kurzen Unterbrechungen für die Mahlzeiten, wurde der Unterrichtsstoff vermittelt und wurden die schriftlichen und zeichnerischen Arbeiten erledigt. Ebenso wie die ehemalige “Realschule”, die es jetzt nicht mehr gab, hatte auch bald die Baugewerkschule im gesamten norddeutschen Raum einen guten Ruf. Die Zahl der Studierenden und der Lehrer nahm deshalb ständig zu. Nach der Annexion des Königreiches Hannover durch Preußen im Jahre 1866 wurde aus der Kgl. Hannoverschen eine Kgl. preußische Baugewerkschule, und damit wurde die Nienburger Anstalt die älteste preußische Baugewerkschule. |
RÜCKBLENDE
Am 21. Oktober 1973: Die Sorge, daß Nienburg durch Konzentrationsbestrebungen einmal die Fachhochschule Hannover, Fachbereich Architektur und Bau-Ingenieurwesen verlieren könnte, ist endlich gebannt. Im Hotel “Weserschlößchen” wurden jetzt die Kaufverträge für vier Grundstücke in der unmittelbaren Film-Eck-Nachbarschaft beurkundet, die ausschließlich der Erweiterung der Fachhochschule dienen sollen. |
“Blickpunkt” 25.05.2013 Die Spuren der Bollmanns Was sich vor der Klinik an der Marienstraße tat ![]() Nienburg (hdh). Da ist es wieder ganz deutlich zu erkennen, wie eine Stadt ihr Gesicht verändert: An der Marienstraße, dort wo viele Jahre das Nienburger Krankenhaus stand – das Bollmanns-Krankenhaus – entsteht etwas Neues. Die Bauarbeiten laufen auf Hochtouren. Nun hat dieser Ort eine Geschichte, die weit über die Zeit der Klinik hinaus reicht. Einst war dort die sogenannte Kinderbewahranstalt beheimatet, die im Frühjahr 1973 einer Erweiterung des Krankenhaus-Komplexes weichen musste. Allerdings haben Klinik und Kinderbewahranstalt eines gemeinsam: Beim mittlerweile abgerissenen Bollmanns Krankenhaus handelt es sich um eine Stiftung des Nienburger Kaufmanns Georg Friedrich Bollmann, die Kinderbewahranstalt wurde von seiner Nichte, der Nienburgerin Marie Werstler, zugleich Namensgeberin der Straße, an der das Krankenhaus im Jahre 1854 errichtet wurde, gestiftet. Einer der Hobbyhistoriker, der sich mit der Geschichte der Familie Bollmann-Werstler beschäftigt hat, ist Heinz-Dieter Hische. Er schreibt unter anderem: “Nur wenige wissen, dass die Marienstraße einst in Würdigung des sozialen Engagements von Bollmanns Nichte Marie Werstler geschah. Für den Neubau einer – am 21. April 1894 bezogenen – Kinderbewahranstalt stellt sie das Kapital zur Verfügung und förderte diese jahrzehntelang.” Marie Werstler starb am 23. November 1938 im Alter von knapp 81 Jahren. Den Abriss der Kinderbewahranstalt im Frühahr 1973 – das Krankenhaus hatte erneut erweitert werden müssen – erlebte sie damit nicht mehr. Überhaupt war die Einrichtung zu diesem Zeitpunkt bereits vom Kankenhaus als Innere Männerabteilung genutzt worden. Hische schreibt weiter: “Nach dem Tode des Vaters im Jahre 1891 erbte Marie den gesamten Nienburger Hausund Grundbesitz sowie die Hälfte des Barvermögens. Dem seit 1880 in Nienburg bestehenden Kinderbewahrungsverein galt Marie Werstlers Zuwendung von Beginn an. Die zweibis sechsjährigen Sprösslinge bedürftiger Familien der arbeitenden Klasse wurden bisher in beengten räumlichen Verhältnissen betreut, und so entschloss sie sich zum Andenken an den Vater, das Kapital für den Bau eines eigenen Gebäudes für die Kinderbewahranstalt zu stiften.” ![]() |
Nienburger Journal, Ausgabe 8, Oktober 2002 Die Armenpflege-Ordnung vom 8. November 1854 Nienburg. Der 1774 von dem Nienburger Zimmermeister Kregel für 975 Taler erbaute Rathausturm steht wieder im neuen Gewand auf seinem Platz. Arme Menschen, denen keine oder nur geringe Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung standen, hat es schon immer gegeben. Bereits in den Schriften der Ägypter, der Griechen und der Römer werden sie erwähnt. In den meisten Fällen hatten schwere Schicksalsschläge dazu geführt, dass viele Menschen mittellos dastanden. Da es keinerlei Versicherungen und auch kaum humanitäre Einrichtungen gab, konnten sie nur durch Betteln dem Hungertode entgehen. Bei uns auf dem Lande lebten in frühren Zeiten die Menschen in Großfamilien; hier verblieben die von Schicksalsschlägen Betroffenen innerhalb der Gemeinschaft und konnten am Erwerbsleben teilnehmen und bekamen weiterhin Unterkunft und Nahrung. Auch die Kinder der armen Leute verblieben auf dem Hof, hatten aber entsprechend ihrem Alter auf dem Hof zu arbeiten. In den Städten sah das anders aus. Hier gab es kaum Großfamilien, in denen die Armen Zuflucht und Aufnahme fanden. Für die Kirchen und besonders für den Magistrat ergab sich deshalb hier die Aufgabe der Armenbetreuung. In den Archiven de Städte ruhen viele Dokumente, deren Inhalt sich mit den armen Leuten und ihrer Betreuung befassen. Auch die Stadt Nienburg musste sich schon früh mit den armen Leuten und ihrer Betreuung auseinandersetzen. Am 11. März 1833 gab der Magistrat eine Armenpflege-Ordnung heraus, die am 8. November 1854 mit Genehmigung der Königlichen Landdrostei durch eine neue ersetzt wurde. In dieser Ordnung heißt es: “Das Armenwesen der Stadt Nienburg wird durch die dem Magistrat untergeordnetes allgemeines Armen-Collegium verwaltet”. Dieses “Collegium” bestand aus dem Bürgermeister – damals bekleidete Alexander Wilh. Jul. Rasch dieses Amt -, einem Senator und zwei Bürgervorstehern, dazu kam einer der beiden städtischen Geistlichen, der Stadtarzt und drei Armenbezirksvorsteher. Das Armen-Collegium hatte viele Aufgaben zu erledigen. So mussten die Angehörigen dieser Hilfseinrichtung über die Einnahmen und die Ausgaben genau Buch führen, und sie hatten die für die einzelnen Armen zu erteilende Unterstützung festzulegen. Weiter gehörte zu ihren Aufgaben die Versorgung der kranken Armen und die Aufsicht über die Erziehung und die Unterbringung der armen Kinder. Und schließlich hatten sie sich um die Versorgung der Armen mit Arbeit zu kümmern. Auch die allgemeine Aufsicht über die Armen gehörte zu ihren Aufgaben. Die Armenpflege-Ordnung enthält noch viele weitere Aufgaben für die Angehörigen des Armen-Collegiums; daraus geht hervor, dass die Stadt Nienburg sich sehr darum bemühte, den Armen zu helfen. Alle Tätigkeiten im Bereich der Armenpflege wurden unentgeltlich ausgeführt. Der § 8 der Armenpflege- Ordnung lautet: “Die Mitglieder des ArmenCollegil erhalten für ihre Bemühungen keine Belohnung. Alle Beschlüsse und Verfügungen in Armensachen werden gebührenund stempelfrei erlassen.” Die Armen konnten natürlich nur dann Hilfe bekommen, wenn entsprechende finanzielle Mittel vorhanden waren. In der Armenpflege- Ordnung werden viele Möglichkeiten der Geldbeschaffung genannt, dabei wird auch an die Spendenfreudigkeit der Bürgerschaft appelliert. So heißt es im § 17: “Außer den bereits dem Armenfonds überwiesenen Mitteln sind die Beträge des Publikums die hauptsächlichste Quelle, auf welche das Armen- Collegium rechnen muß, falls es in den Stand gesetzt werden soll, eine vollständige und zweckmäßige Armenpflege herbeizuführen.” Und in § 18 wird gesagt: “Es ist zu hoffen, dass jeder Einwohner seiner armen Mitbrüder nach seinem Vermögensstand gern und freiwillig beitragen werde.” Als 1860 die damals in der Stadt liegenden Soldaten abgezogen und nach Hannover verlegt wurden, stand das auf dem Hornwerk gebaute Militärhospital leer. Die Stadt kaufte das Gebäude und richtete hier ein “Armenhaus” ein. Als “Altersheim” ist es noch vielen Nienburgern bekannt. Die älteren noch arbeitsfähigen Bewohner wurden zum Reinigen der Straßen in der Innenstadt eingesetzt. Jeden Tag konnte man die “Straßenfeger” bei ihrer Arbeit beobachten, wie sie mit Reiserbesen die Gossen kehrten und den Unrat auf einen mitgeführten Pferdewagen warfen. Auch die Einrichtung des “Armenhauses” zeigt, dass die Stadt Nienburg viel für die Armen getan hat. Viele bedeutende Männer haben sich seinerzeit der Armen angenommen. So trägt die Armenpflege- Ordnung von 1854 die Unterschriften des Bürgermeisters Rasch und der Senatoren Hagedorn, Schmahlfeld, Dörrien und Bernhardt. Das waren alles in der Stadt hochangesehene Männer. Nachdem im Jahre 1977 das DRK das Alten- Zentrum an der Rühmkorffstraße gebaut hatte, zogen die letzten Bewohner des Altenheims nach hier um. Das ehemalige Militärhospital, in dem viele armen und alte Mitbürger ein Zuhause gefunden hatten, wurde nun mit in den Theaterund Hotelkomplex an der Meerbachmündung eingezogen. Die städtischen Armenpflegeordnungen wurden in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts aufgehoben und durch gesetzliche Vorgaben der Regierung des Deutschen Reiches ersetzt. Die Zeiten hatten sich geändert und damit auch der Umgang mit dem Armenwesen. ![]() |
Nienburger Journal, Ausgabe 8, Oktober 2002 Von Straßen und Plätzen in der Stadt Der Kasernenplatz Wenn heute vom Kasernenplatz gesprochen wird, dann vermuten die meisten Nienburger Bürgerinnen und Bürger diesen Platz in der Nähe oder gar auf dem Kasernengelände, auf dem bis vor kurzem englische Soldaten stationiert waren. Aber weit gefehlt! Der kleine Platz vor dem Weserschlösschen hieß vor gut hundert Jahren im Volksmund noch “Kasernenplatz”. Ebenso wie der Schlossplatz war auch dieser Platz den in Nienburg liegenden hannoverschen Soldaten vorbehalten; hier exerzierten und übten sie. Untergebracht waren sie in der in unmittelbarer Nähe stehenden “Mühlenbaracke”. Im Jahre 1847 brannte die Kaserne bis auf die Grundmauern nieder. Die Stadt hatte seinerzeit dieses Gebäude unter großen finanziellen Opfern errichten lassen. Der Bau der Kaserne war die Voraussetzung dafür, dass wieder Militär in die Stadt gelegt wurde. Nach dem Brand mussten die Soldaten in Bürgerquartieren untergebracht werden, denn die Stadt hatte keine finanziellen Mittel für einen Neubau. Für die Bürger und auch für die Soldaten war die Unterbringung in Privathäusern recht unbefriedigend. Die in Nienburg stationierten hannoverschen Soldaten wurden deshalb 1860 nach Hannover verlegt. Seit dieser Zeit wurde der Platz an der Mühlenstraße kaum noch genutzt; im Volksmund aber blieb er der “Kasernenplatz”. An die Jahre, in denen er vom Militär genutzt wurde, erinnert nur noch ein Gebäude an der Seidenbaustraße, hier befand sich einst die Waffenmeisterei. Bald nach dem Brand ließ hier der Pastor Holscher Seidenraupen züchten und deren Kokons verarbeiten. Jahrzehntelang blieb der Platz unbeachtet. Vor einigen Jahren ließ hier die Stadt einige Parkplätze für Personenkraftwagen anlegen. Von hohen Bäumen eingerahmt und von dem 1989 aufgestellten “Wiehernden Hengst” des Künstlers Gerhard Marcks vom Wall abgegrenzt, macht er heute einen recht freundlichen Eindruck. ![]() |
Museum Nienburg |
Baugewerkschule nahm Einfluss
auf Stadtentwicklung
Beispiel einer hervorragenden Nienburger Lehrkraft: Baukondukteur und Architekt Otto Wilsdorff Im Mittelpunkt der Jahresschlussveranstaltung 2011 des Nienburger Museumsvereins stand wiederum ein anregender Vortrag von Dipl.-Ing. Dr. Ulrich Knufinke aus Braunschweig. Der Referent, bestens bekannt durch seine Forschungen rund um den Nienburger Bausenator Emanuel Bruno Quaet-Faslem (1785-1851), widmete sich in Wort und Bild dem Thema “Nienburg – eine Stadtbildgeschichte”. Knufinke zeigte an zahlreichen Beispielen im heutigen Stadtbild Wirkungen auf, die von der Nienburger Baugewerkschule/Fachhochschule im Zeichen der Stilrichtungen Historismus und frühe Moderne ausgingen. Diese 1853 gegründete Lehranstalt wurde 2003 – nach 150 Jahren ihres Bestehens – geschlossen. Vorläufer der Baugewerkschule war Quaet-Faslems 1831 eingerichtete “Realschule”. Sie diente der Weiterbildung junger Handwerksgesellen mit den Schwerpunkten Architekturzeichnen und Entwerfen. In der Nachfolge vollzog sich die Gründung der “Königlichen Baugewerkschule”, Quaet-Faslem erlebte sie nicht mehr. Sie erfolgte zwei Jahre nach seinem Tod im Jahre 1853. Ein Blick auf die damalige Zeit: Das 19. Jahrhundert brachte für die Stadt Nienburg tiefgreifende Strukturveränderungen mit sich. 1806 bis 1808 – zur “Franzosenzeit – war die Schleifung der Festungsanlagen erfolgt. Diese Situation fand Quaet-Faslem vor, als er sich – vermutlich im Jahre 1817 – in Nienburg als Architekt niederließ. Auf ehemaligem Festungsgelände baute er sich 1821 ein Wohnhaus in klassizistischem Stil und setzte damit in Nienburg ein architektonisches Markenzeichen. ![]() Im Vorfeld der ehemaligen Festungsanlagen lag auch das Gelände, das die Stadt 1858 zum Bau des “Bollmanns Krankenhauses” zur Verfügung stellte. Namensgeber Bollmann, ein Nienburger Kaufmann, hatte dafür das Grundkapital gestiftet. Der Entwurf für das Gebäude stammte von dem ersten Direktor der Baugewerkschule, Baurat Robert Friedrich Rhien. Es sollte sich erweisen, dass Direktor Rhien in den Folgejahren eine glückliche Hand bei der Heranziehung geeigneter Lehrkräfte hatte. Dazu gehörte u.a. der Baukondukteur und Architekt Otto Wilsdorff aus Dresden (1835-1883), der 1857 an die Baugewerkschule kam. Der Unterricht an der Baugewerkschule fand in den ersten Jahrzehnten nur in den Wintermonaten statt, so dass die Lehrer im Sommerhalbjahr Gelegenheit hatten, sich in praktischer Arbeit zu betätigen. In Nienburg boten sich dazu gute Möglichkeiten. ![]() Da ist zunächst das sogenannte “Bahnhofsfeld” zu nennen. 1847 hatte Nienburg einen Bahnhof erhalten, der in einiger Entfernung zur Altstadt in der Nordertorsfeldmark angelegt wurde. Das davorgelagerte, bis zu den ehemaligen Wallanlagen reichende Gelände war weitgehend unbebaut und harrte der Aufschließung. Noch weiter im Norden tat sich zu dieser Zeit Beachtliches: Dort entstanden in schneller Folge Fabrikanlagen, eine chemische Fabrik, Düngerfabriken, eine Hautleimfabrik und schließlich zwei Glasfabriken, um die bedeutendsten zu nennen. Nienburg wurde zur Industriestadt. Hier stoßen wir wieder auf Otto Wilsdorff. Von ihm stammt eine Handzeichnung aus dem Jahre 1869. Sie zeigt die 1857 gegründete chemische Fabrik – die Gebäude der 1865 angelegten Düngerfabrik Klamroth sind dort integriert – aus der Vogelperspektive. Wilsdorff betätigte sich als technischer Berater bei der Entstehung der frühen Fabriken. Nach seinen Plänen entstanden zahlreiche Betriebsgebäude und auch Wohnhäuser. Wilsdorffs Schaffen war jedoch nie einseitig ausgerichtet. Aus seiner Nienburger Zeit seien das 1872 nach seinen Plänen errichtete Herrenhaus auf dem von Arenstorffschen Rittergut Oyle sowie der Entwurf für einen neugotischen Altar in St. Martin zu Nienburg genannt. Von dem durch die Eheleute Dörrien im Jahre 1869 gestifteten Altar blieben allerdings nach der Renovierung der Kirche 1961/64 nur figürliche Bestandteile erhalten. Nach 18 Jahren Tätigkeit in Nienburg folgte Wilsdorff einer Berufung zum Stadtbauinspektor und Leiter der Hochbauabteilung des Stadtbauamtes Hannover. In der Landeshauptstadt setzte Wilsdorff sein erfolgreiches Schaffen fort. Zeitweilig war er auch als Leiter der dortigen Gewerbeschule tätig. ![]() Nur 48-jährig verstarb Wilsdorff 1883 in Hannover. Ein schaffensfroher Mensch, der mit seinen hervorragenden Befähigungen dazu beitrug, die Kunde von dem hohen Niveau der Nienburger Lehranstalt zu seiner Zeit im Lande zu verbreiten. Hans-Otto Schneegluth |
"Blickpunkt" vom 1. Januar 2011 Ein Mann, der Spuren hinterlassen hat Quaet-Faslem wirkte in Nienburg und darüber hinaus ![]() Nienburg (nis). So beschaulich die Kreisstadt Nienburg heute auch wirkt, so ganz spurlos ging die politische Zeit Napoleon Bonapartes auch an ihr nicht vorbei. Im Todesjahr eben dieses Napoleon Bonapartes (1821) wurde das von Bruno Emanuel Quaet-Faslem geplante repräsentative Wohnhaus für seine Familie am Stadtwall fertiggestellt. ![]() Quaet Faslem kam am 10. November 1785 in Nienburgs heutiger Partnerstadt Dendermonde in Belgien zur Welt, verbrachte allerdings nach dem Ende der französischen Besatzung sein Leben in Deutsch- land, zunächst in Bassum, später bis zu seinem Tode am 2. Juli 1851 in Nienburg. Von dort aus wirkte er über die Grenzen der Stadt hinaus, hinterließ aber auch eine Vielzahl an Gebäuden in der Stadt an der Weser. Bei der Villa handelte es sich um ein steinernes Haus, rot gestrichen, mit Biberschwanz-Ziegeln eingedeckt. "Mit dekorativen Säulenelementen und halbrunden Fenstern versehen. Am Steinhuder Meerbach gelegen, mit einem heute wieder hergestellten schmucken Biedermeier-Garten zum Lustwandeln", erklärt Erwin Adolf, Vorsitzender der Nienburger Bezirksgruppe des Bundes Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure (BDB). Bis heute prägen seine Entwürfe große Teile des Nienburger Stadtbilds. "Ihm verdanken wir, dass die Bahnlinie von Hannover über Wunstorf Richtung Bremen nicht – wie erst geplant – über Rethem, sondern über Nienburg geführt wurde. Sehr positiv für die danach rasant einsetzende industrielle Entwicklung unserer Stadt"ü, weiß Adolf. Hinzu kam unter anderem die ehemalige Nienburger Synagoge und die Restaurierung der Martinskirche. "Als im Sommer 1853 die Absicht der hannoverschen Regierung, in Nienburg eine Baugewerk-Schule zu gründen, greifbare Formen annahm, waren seine weitsichtigen Vorarbeiten der Grundstein. Er hatte bereits in seinem Wohnhaus einen gut besuchten Zeichensaal eingerichtet", erinnert der BDB-Vorsitzende. Mit der Eröffnung der Königlich Hannoverschen BaugewerkSchule am 17. Oktober 1853, der ersten im gesamten norddeutschen Raum, an der Quaet-Faslem auch selbst unterrichtete, wurde sein Lebenswerk würdevoll gekrönt. Adolf: "Manch ehemaliger Bauschüler wird sich gern der Zeiten erinnern, in der er die Burschenherrlichkeit in unserer Weserstadt genießen und sein Rüstzeug fürs Leben hier erlernen konnte.” Heute dient das Gebäude am Schlossplatz der niedersächsischen Polizeiakademie. Pünktlich zum 225. Geburtstag Quaet-Faslems am 10. November 2010 wurde in seinem Haus – dem heutigen Nienburger Museum an der Leinstraße – eine Ausstellung über das architektonische Schaffen des "bedeutendsten Nienburgers des 19. Jahrhunderts" mit dem Titel "Ein Architekt des Klassizismus" feierlich eröffnet. Dr. Ulrich Knufinke präsentiert unter anderem ein 252-seitiges Buch über Baumeister QuaetFaslem. Die Ausstellung steht Besuchern noch bis zum 27. März zur Verfügung. ![]() |
"Die Harke vom 10.10.2001" Endlich ein Haus für Nienburgs historische Steindenkmäler Einmalig in Norddeutschland: Gestern Richtfest für Lapidarium im Museumsgarten gefeiert / 180 000-Mark-Projekt soll 2002 vollendet sein Von Tonka Angheloff Nienburg. Auf den Tag genau vor einem Monat war Grundsteinlegung, gestern bereits wurde Richtfest gefeiert: Das Lapidarium im Museumsgarten hinter dem Quaet-Faslem-Haus hat Gestalt angenommen, das ab 2002 Nienburgs wertvolle historische Steindenkmäler beherbergen soll. Ein besonderes Richtfest, nicht nur auf Grund dieser Rekord verdächtigen Zeit: ein Richtfest ohne Zimmermann. Denn auf 300 Quadratmetern Fläche präsentiert sich eine nicht übliche Bauweise. Drei Meter hoch misst die Konstruktion aus feuerverzinktem Stahl im Ostbereich des Quaet-Faslem-Hauses. An Stelle des sonst in Aktion tretenden Zimmermanns war deshalb Planer Hans-Jürgen Meyer die Leiter hoch geklettert. Ehe er traditionsgemäß eine Flasche Korn zerschellen ließ, gab er seinen Richtspruch zum Besten und dabei unter anderem: “... die Zimmer und die Fenster fehlen, das lässt sich hier ja nicht verhehlen. Auch Stall und Scheune kann’s nicht sein, das sieht man ohne Scharfblick ein. Kurzum: Man will ein Magazin draus machen, eine Ausstellung für steinerne Sachen...” Dass dies Geld kostet, ließ Museumsvereinsvorsitzender Werner Schaper nicht unerwähnt und - ging auf Spenderfang. Rund 180 000 Mark teuer wird der Bau, für den aus Land Niedersachsen sowie die Stiftung Sparkasse Nienburg je 30 000 Mark geben, 40 000 Mark kommen von der Stadt Nienburg, die Hoya-Diepholz’sche Landschaft schießt als Eigentümerin des Quaet-Faslem- Hauses 20 000 Mark zu, 60 000 Mark trägt der Museumsverein. Ans Nachbargrundstück anschließend, setzt der Bau im Museumsgarten bereits im Rohzustand einen völlig neuen Akzent. Noch scheinen Sonne, Mond und Sterne durch die Stahlkonstruktion, die bis zur Einweihung 2002 ein so genanntes Shed-Dach decken wird, ein Sägedach aus Holz. Angepasst an die Dachform der Nachbarhäuser, Auflage der Denkmalpflege, soll eine Öffnung im Inneren einen Lichthof schaffen. Im Ostbereich wird die bestehende Zielmauer erhöht. Ansonsten ist das Lapidarium von allen Seiten frei begehbar. Im Inneren trennen drei Stufen zwei auch Rollstuhl geeignete Ebenen, um das zum Meerbach hin abfallende Gelände “abzufangen”. Auf Grund seines Umfanges und inhaltlicher Vielfalt ein einmaliger Bau in Norddeutschland. Nicht ohne Stolz wies Museumsvereinsvorsitzender Werner Schaper auf diese Tatsache hin, die das Gutachten des Oldenburgischen Museumschefs Professor Dr. Ewald Gäßler untermauert. Quantität, vor allem aber die Qualität der steinernen Zeitzeugen aus Romantik, Renaissance, Barock und 20. Jahrhundert spielen dabei ihre Rolle. Rund 70 behauene historische Sandsteine, vom Taufbecken bis zum Grabstein, von der Sonnenuhr bis hin zum Giebel zierenden Wappenstein zählen zum museumseigenen Inventar. Gereinigt, restauriert und zum Teil ergänzt, werden sie in Betonfundamenten gesichert, um Langfingern keine Chance zu geben. “Beschriftung kommt hinzu, Forschungsarbeit und Publikationen werden auf Infotafeln dargestellt, ließ Museumschef Dr. Eilert Ommen wissen. Ein Katalog soll folgen. |